Wird der Qualitätsstandard des deutschen Handwerks und Gewerbes von der Politik genügend ernst genommen?
In letzten Jahrzehnten hat es leider immer wieder durch Politiker und Regierungen Versuche gegeben diese oft seit Jahrhunderten geltenden Qualitätsstandards zugunsten von „Masse“ auszuhebeln und abzuschaffen. Auch der heute verblassende einstige gute Ruf des „made in Germany“ ist davon betroffen. Aber ist es nicht gerade dieser gute Ruf, des Qualitätsstandards, der die Kunden anlockt?
Nirgendswo in der Welt gibt es diese duale und zielgerichtete Lehrlingsausbildung wie in Deutschland. Nirgendwo gab es diese strenge und akribische Meisterausbildung. Ich kann nicht begreifen, wie kurzsichtige deutsche Politiker einfach die Meisterpflicht abschaffen können, zugunsten von Masse und Pfuscherei. Seit Jahren erlebe ich, da ich mit einer Uhrmachermeisterin verheiratet bin, wie Kunden mit verpfuschten mechanischen Uhren zu ihr kommen, die vorher jetzt zugelassene Uhrmachergeschäfte ohne Meisterbrief in der Hand hatten. Ähnliche Informationen habe ich von Schuhmachermeistern und anderen Gewerken. Gleichzeitig hat auch die Geringschätzung dieser Handwerke durch die Politik zu einem bedeutenden und nicht wieder gut zu machenden Schwund dieser Gewerke in ganz Deutschland geführt etwa nach dem Motto „Das ist ja keine Kunst, das kann ja jeder machen.“ Heute rufen z.B. Leute aus Köln, München oder Hamburg in Sachsen an, wo es vielleicht noch drei alte Uhrmacher gibt und wollen eine alte Standuhr oder ähnliches repariert haben, aber wie lange noch? Politiker, die Pfuscherei wegen Masse den Vorzug geben, sind auf der falschen Spur und das wird sich rächen.
Vor allen Dingen der SPD unter Gerhard Schröder und den Grünen müsste man das ins Gedenkbuch schreiben, die 2004 für 53 Gewerke die Meisterpflicht abgeschafft haben. Wenn sich jetzt 2019 die Handwerkskammern durch zeitraubende Verhandlungen mit Politikern bemühen, die Meisterpflicht für einige Berufe wieder einzuführen, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen war, ist es reichlich spät und der Ausgang ist nicht sicher. Auch wird bis heute nicht verraten, für welche Berufe die Meisterpflicht wieder eingeführt werden soll. Schuld an der Misere ist aber auch die Regierung Merkel, die 15 Jahre nichts, aber auch gar nichts unternommen hat, die Fehler zu korrigieren. Fünfzehn Jahre lang konnten fehlende Meister keine Lehrlinge in 53 Berufen ausbilden. Das muss man sich einmal überlegen. Solche Politiker erzählen uns jeden Tag, dass Fachkräfte fehlen, dass wir ausländische Fachkräfte benötigen. Gleichzeitig schaffen sie aber die Meister ab, die Fachkräfte ausbilden könnten.
Aber nicht nur deutschen Regierungen und Politikern muss man diese fehlerhafte Politik anrechnen, auch die Europapolitiker in Brüssel sind auf demselben Trend und deutsche Handwerker müssen sich dagegen wehren, ob die deutsche Meisterpflicht etwa „europarechtlich gerechtfertigt sei“ oder ob sie etwa „verfassungsrechtlich“ sei und es müssten „Gemeinwohlgründe dafür vorliegen. Dümmer kann man sich wohl einem seit
mehreren hundert Jahren bewährtem System nicht nähern. Wenn dann die Sächsische Zeitung am 10. April in einem großen Artikel vermeldet „Gütesiegel Made in Germany im Sinkflug“, passt das gut zusammen.
Natürlich gibt es auch Bemühungen von Seiten der Kammern des Handwerks und der Industrie, mit den Politikern ins Gespräch zu kommen, auf sie einzuwirken. Vor kurzem trafen sich z.B. Mitglieder der sächsischen Kammerkonferenz mit Wirtschaftsminister Duhlig. Dieses Konferenzgremium besteht aber erst seit Herbst 2017. In ihm sind sechs Kammern vertreten. Es ist zwar richtig, dass solche Gremien ihre gewiss guten Argumente gebündelt an die Politiker herantragen. Aber man liest von solchen Treffen viel zu wenig oder gar nichts, was davon herauskam, was die Politiker davon annehmen oder mitnehmen.
Ein Ergebnis wurde immerhin vermeldet: Das Azubi-Ticket soll im kommenden Lehrjahr eingeführt werden. Wenigstens etwas.
Für jeden Handwerker und Gewerbetreibenden steht letztlich aber immer wieder die Frage im Raum: Was kann ich verbessern und wie, um mein Geschäft und meine Firma wirtschaftlich und finanziell stabil zu halten oder auch auszuweiten. Möglich sind nur zwei Wege. Entweder man versucht, vorhandene Techniken, Technologien und Verfahren effektiver zu gestalten oder wenn die Mittel vorhanden sind, in Neues zu investieren. Beides wird von unseren Handwerkern und Gewerbetreibenden je nach Möglichkeit versucht. Gemeinsam ist aber bei allen die Klage zu hören, dass es einen großen Mangel an Fachkräften gibt und dass es genau so schwierig ist, geeignete junge Leute zu finden, die bereit und motiviert sind, einen Handwerksberuf zu erlernen. Bundesweit gibt es über zwei Millionen Jugendliche, die ihre Berufsausbildung abgebrochen haben. Müsste das nicht allein schon ein Alarmsignal für Politiker sein (aber auch für die Eltern)! Laut einer Umfrage empfinden 68 Prozent der Betriebe diesen Mangel als größtes Hindernis für ihre vorgesehenen Innovationen. Daneben empfinden sich noch 58 Prozent ausgebremst von staatlicher Bürokratie und gesetzlichen Vorschriften.
Da ist es doch geradezu wohltuend, wenn man lesen kann, dass das Gogelmoschhaus in Stolpen neue Wege zu gehen versucht, um gemeinsam mit Handwerkern und Firmen außerhalb der Schule Jugendliche für spezielle Berufe zu interessieren und zu motivieren und dann in die Berufsausbildung zu bringen. Aber dafür muss es „Meister“ geben!
Bernd Müller-Kaller (im April 2019)